Weihnachten

Markt und Straße steh’n verlassen,
still erleuchtet jedes Haus;
sinnend geh ich durch die Gassen,
alles sieht so festlich aus.

An den Fenstern haben Frauen
buntes Spielzeug fromm geschmückt,
tausend Kindlein steh’n und schauen,
sind so wunderstill beglückt.

Und ich wandre aus den Mauern
bis hinaus ins freie Feld.
Hehres Glänzen, heil’ges Schauern,
wie so weit und still die Welt!

Sterne hoch die Kreise schlingen;
aus des Schnees Einsamkeit
steigt’s wie wunderbares Singen. -
O, du gnadenreiche Zeit!

Joseph von Eichendorff (1788-1857)

Gedanken zum Text

Eines der bekanntesten Weihnachtsgedichte - und doch wieder und wieder schön zu lesen.

Es muß nicht immer etwas Neues sein. In dem Vertrauten schwingen gute Erinnerungen, Wärme, Sehnsüchte und Gefühle mit, die das Moderne, Abwechslungsreiche kalt und leer erscheinen lassen.

Wandel ist nicht in sich schlecht, aber wir brauchen beides... Und das ist eine der wunderbaren Facetten der deutschen Weihnacht: da ist ein Erinnern an Qualitäten und Werte, denen unsere Gesellschaft sonst kaum mehr Raum läßt. Und selbst vor Weihnachten macht dieser Zeitgeist oft keinen Halt.

Möge auch in dieser Hinsicht Weihnachten wieder uns verändern!