Kommet, ihr Hirten

Kommet, ihr Hirten, ihr Männer und Frau'n,
Kommet das liebliche Kindlein zu schau'n!
Christus, der Herr, ist heute geboren,
den Gott zum Heiland euch hat erkoren.
Fürchtet euch nicht!

Lasset uns sehen in Bethlehems Stall,
was uns verheißen der himmlische Schall!
Was wir dort finden, lasset uns künden,
lasset uns preisen in frommen Weisen!
Halleluja!

Wahrlich, die Engel verkündigen heut
Bethlehems Hirtenvolk gar große Freud.
Nun soll es werden Friede auf Erden,
den Menschen allen ein Wohlgefallen.
Ehre sei Gott!

Karl Riedel, 1870

Gedanken zum Text

Früher habe ich mich öfters gefragt, warum wir in solchen Liedern so tun, als erlebten wir das historische Ereignis in Bethlehem mit. Bei "Kommet, ihr Hirten" singen wir ja zunächst, die Aufforderung der Engel an die Hirten, so dann deren Antwort und in der dritten Strophe erst die zusammenfassende Deutung des Ereignisses; und selbst da heisst es "die Engel verkündigen heut".

Mittlerweile ist mir der Sinn einer solchen Sicht klarer:

An Weihnachten geht es um mehr als nur ein Stück Menschheitsgeschichte, über das wir uns Wissen aneignen können. Die Geburt Jesu und die Schilderungen in der Weihnachtsgeschichte rufen uns zu einer persönlichen Stellungnahme auf. Dieses direkt und persönlich Angesprochen-Sein legt es nahe, sich selbst in die Lage der Hirten und anderen Personen in dieser Nacht vor zweitausend Jahren zu versetzen. Wenn wir das bewusst tun, fällt es auch leichter, zu einer persönlichen Reaktion zu kommen.